Aufgegabelt
Der Gastro-Blog der T&T-Redaktion
In der Rubrik "Aufgegabelt" spießen wir von Zeit zu Zeit Themen rund um Gastronomie, Esskultur und Tübingen auf
Geschmorter Haar Schwänze
Zugegeben: Es ist nicht mehr sonderlich originell, sich über sprachlich verunglückte Angebote von Gastronomiebetrieben lustig zu machen, deren Betreiber einen Migrationshintergrund haben. Ganze Twitteraccounts widmen sich solchen „Gastrofails“, und kaum ein großes Internetportal verzichtet auf Clickbaiting mit Beiträgen wie „Die 15 lustigsten Speisekartenfehler“. Für halbwegs seriöse Schreiberlinge verbieten sich jedoch schale Witzchen darüber ebenso wie Spekulationen, welche Tierarten wohl zu den „8 Kostbarkeiten“ in chinesischen Restaurants verarbeitet wurden.
Aber da wir uns nunmal mit der Tübinger Gastronomie beschäftigen, ist es unsere Pflicht, gerade auch auf die eher verborgenen Spezialitäten abseits des Mainstreams hinzuweisen, die uns die hiesige Kulinarik bietet. Und so offenbaren wir an dieser Stelle, dass es in Tübingen ein Restaurant gibt, das auf seiner Internetpräsenz unter anderem mit folgenden Leckereien zu locken vermag:
Geschmorter Haar Schwänze
Schweine Lungen
Rindersehne
kalte Hühner Magen Scheibe
Und ja, das Lokal existiert schon seit einiger Zeit. Es scheint also eine Nachfrage nach solchen Köstlichkeiten zu geben. Ob diese in aller Öffentlichkeit konsumiert werden oder eher unter der Theke zum Mitnehmen durchgereicht werden, harrt noch einer investigativen Recherche. Augenzeugenberichte nehmen wir gerne unter mail@tischundtheke.de entgegen, auch anonym.
Als gesichert gelten kann einstweilen, dass die „Haar Schwänze“ in verschiedenen Zubereitungsformen den Weg zu den Feinschmeckern finden. Liebhabern knuspriger Exotik werden sie auf der Internetseite auch als „gebratene Haar Schwänze“ offeriert.
sg
An uns lag's nicht!
Jetzt sind schon wieder drei weg. Drei Restaurants in Tübingen, die von der Bildfläche verschwanden, bevor wir überhaupt online gegangen sind. Und dabei reden wir nur von den beiden, für die wir schon fertige Kritiken geschrieben hatten.
Seit wir mit der Datenerhebung für diese Seite begonnen haben, sind insgesamt schon mehr als zehn Lokale geschlossen worden, manche davon wurden unter neuer Leitung wieder eröffnet. Bestimmt ein Fünftel aller Gastrobetriebe in der Stadt hat etwas an den Öffnungszeiten geändert, seit wir sie das erste Mal dokumentiert hatten.
Sagen wir mal so: Zumindest in einem Fall, in dem wir die Kritik schon im Block hatten, müssen wir eigentlich ganz froh sein, dass der Laden auch ohne unser Zutun dichtgemacht hat. Sonst hätte es hinterher noch geheißen, wir wären Schuld daran.
Aber im zweiten Fall tut es uns wirklich leid. Da hatten wir gedacht, wir könnten durch unsere Seite so eine Art Geheimtipp einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen – doch der Tipp war wohl zu lange zu geheim, als es wirtschaftlich tragbar gewesen wäre.
Wie auch immer – ein letztes Mal können wir guten Gewissens behaupten: An uns lag’s nicht!
sg
Vitello, gib mir ein Zeichen!
Ein jedes italienische Restaurant, das etwas auf sich hält, hat Vitello Tonnato auf der Karte stehen. Möglichst hauchdünne Scheiben sanft gegarten Fleisches aus der Kalbsnuss, überzogen mit einer cremigen Thunfischsauce, bestreut mit ein paar Kapern und garniert mit feinen Zitronenscheiben. Ein lukullisches Gedicht – im besten Fall. In schlechteren Fällen ein Ausdruck von kulinarischem Frevel.
Genau das macht ein Vitello Tonnato über das potenzielle Geschmackserlebnis hinaus zu einer nachgerade idealen Ikone. Das Vitello Tonnato ist ein Fingerzeig für die Kochkunst in einem italienischen Lokal, der weit über die Vorspeise hinausweist.
Wenn die Sauce ihre Konsistenz und ihren Geschmack dem Einsatz industriell hergestellter Mayonnaise zu verdanken hat und nur noch der Preis an hochwertige Lebensmittel und deren gekonnte Veredelung gemahnt, dann kann man den Rest des Essensangebotes getrost denjenigen überlassen, die ihre Liebe zur italienischen Küche der „Pasta Schuta“ aus den 1970er-Jahren verdanken.
Umgekehrt gilt: Wenn das Vitello Tonnato als Vorspeise mit den feinen Aromen eines guten Olivenöls, ebensolcher Kapern und des Gemüsesuds, in dem das Fleisch gegart wurde, zu begeistern weiß, dann darf man auch dem Hauptgericht mit begründeter Vorfreude entgegensehen.
Vitello Tonnato ist der Cicerone, dem wir uns anvertrauen dürfen auf unserer Suche nach der guten italienischen Küche.
sg
